Vergangene Woche wurde mir der Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich präsentiert. Das neue Gebäude am Heimplatz, gegenüber dem alten Kunstmuseum, sieht gut aus von aussen, finde ich, und ist im Inneren noch schöner. Ihr Kolumnist ist kein Architekturkritiker, Texte über Bauten langweilen ihn, deshalb fasst er sich kurz: Am Haus von David Chipperfield, dem britischen Architekten, ist alles gross. Gross gedacht, gross umgesetzt, grossartig für Kunstwerke – noch ist es leer –, grossartig für Besucher, bin ich mir sicher; die offizielle Eröffnung ist für diesen Herbst geplant. Mit anderen Worten, drei an der Zahl: ein grosser Wurf.
Gelegentlich wohlmeinend urteilen zu können, ist schon mal was. MvH mag’s im Grunde freundlich und sonnig (drum heisst diese Spalte «Wunderbare Welt»). Und besonders willkommen sind zurzeit good news. Jüngst gab es davon so wenige in unserem Land, dass man sich überlegen muss, ob ein neues Selbstverständnis nötig sei und man als Schweizer zur Einsicht kommen müsse, wir seien keine overachiever mehr. Sondern unfähig oder, noch schlimmer, unwillig geworden zum Erbringen von Spitzenleistungen.
Natürlich kann die Realisierung eines Bauvorhabens nicht tel quel mit der Pandemiebewältigung verglichen werden (es dauerte lange Jahre von der Idee bis zur Fertigstellung des Chipperfield-Gebäudes). Dennoch ist es Ihrem Kolumnisten erlaubt, die performances der Verantwortlichen einander gegenüberzustellen. Denn im Kern geht es beiderorts um den Umgang mit Unsicherheit: Fällen die Verantwortlichen mehrheitlich richtige Entscheide, kommt’s gut. Andernfalls entsteht die Lage, die etwa beim Impfen gegen Covid-19 in der Schweiz im Augenblick herrscht. Und die uns, gemessen an Ländern, denen wir bis vor kurzem vermutlich gezeigt hätten, wie’s geht, schlecht aussehen lässt.
Woran liegt es, dass wir es mit einer Hier- Flop-dort-top-Gegebenheit zu tun haben? Zuerst neige ich dazu, die Qualität der Verantwortlichen beim Bund schwächer einzuschätzen als die des entsprechenden Personals bei Kantonen respektive der sich noch näher am Geschehen befindlichen Mitarbeiter. Hätten Bundesrat Alain Berset beziehungsweise Nora Kronig Romero, Impfstrategin des Bundesamts für Gesundheit, beim Kunsthauserweiterungsbau etwas zu sagen gehabt, kann man sich, fussend auf deren track record, vorstellen, wie Frau Kronig Romero ein Zusammenarbeitsangebot mit Chipperfield abgelehnt hätte (mit der Begründung vielleicht, kurz bevor sie ihren Mutterschaftsurlaub antritt, man möchte den Museumsentwurf nicht einer Showtanz-Männergruppe überlassen). Und Berset hätte, falls er in Kenntnis gesetzt worden wäre, möglicherweise nicht zurückgerufen (oder zu spät).
Besonders willkommen sind zurzeit good news. Jüngst gab es davon wenige in unserem Land.
Zur Hauptsache hing das gute Gelingen des Museumsneubaus aber wohl davon ab, dass dafür eine Public-private-Partnership – also private Firmen und öffentliche Institutionen machen gemeinsame Sache – gewählt wurde. Rund 75 Millionen der Kosten von knapp über 200 Millionen Franken wurden mit Geld, das die zuständigen Leute der Zürcher Kunstgesellschaft bei Privaten sammelten, bezahlt; die Zielkostenüberschreitung von 15 Prozent darf als verhältnismässig beschrieben werden. Und damit auch das gesagt ist: Ich bin nicht der Meinung, Führungskräfte der privaten Wirtschaft seien unfehlbar. Walter Kielholz, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, hat in seiner Haupttätigkeit als früherer Präsident der Credit Suisse beziehungsweise der Swiss Re, einer Rückversicherungsgesellschaft und Kunsthaus-Unterstützerin, zweistellige Milliardensupersummen an Shareholder-Value vernichtet. Als Museumsneubau-Chef im Nebenamt hat er einen prima Job gemacht, malgré tout.
Die Pandemie, das ist die gute Nachricht, kann vermutlich im Laufe des Jahres unter Kontrolle gebracht werden in unserem Land. Und wenn die nächste kommt, sitzen denkbarerweise Politiker und Beamtinnen in Bern, die aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt haben (und dann vielleicht sogar besser handeln).
Mit dem Erweiterungsbau hingegen hat Zürich jetzt ein Kunsthaus auf dem Niveau der wichtigsten Museen in den Weltstädten. Darauf darf man stolz sein als Zürcher, auch wenn man, wie MvH, aus Bern kommt.