Lustig ist das Reichenleben
Auf Instagram, einem sozialen Medium, parodiert ein junger Brite als «gstaadguy» die Bewohner der beau monde, zu der er gehören möchte.

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Was macht man als junger Mann, der gern ein solcher von Welt wäre mit allem, was dazugehört (schicke Reisen, feines Essen, erlesene Weine, teure Uhren, edle Kleidung)? Man macht sich in einem sozialen Netzwerk lustig über junge Männer von Welt, die alles haben/tun, was man selbst gerne hätte/täte.
Und das reicht? Nicht immer, logisch, aber es kann klappen. Wie eine sogenannte Social-Media-personality als «Gstaad Guy» auf Instagram beweist. Der junge Brite – sein Alter sowie seinen richtigen Namen verrät er nicht – parodiert den Lebensentwurf der jungen Reichen. Und kommt damit glänzend an – bei jungen Rei- chen. Und er kann sogar «Gstaad» aussprechen.
Versuchsballons
Ein übliches Gstaad-Guy-reel, wie die kurzen Videos auf Insta genannt werden, zeigt den Protagonisten beim Besuch eines seiner liebsten Restaurants (etwa eines LPM-Betriebs in London, Hongkong oder Dubai; die Gruppe ist ein Sponsor), wo er isst, trinkt und seine Welt erklärt. Was er gut findet, darunter Uhren von Audemars Piguet (ein Sponsor) sowie Kleidung von Loro Piana (Sie ahnen es: der Sponsor), ist «fantastic». Was er weniger gut findet, etwa Leute, die «Expresso» sagen (statt «Espresso») oder lauten Luxus mögen statt den von ihm bevorzugten zurückhaltenden Stil, befördert er mit dem Ausdruck «à la poubelle» in den Abfallkübel.
Falls diese Beschreibung zum Schluss führt, seine Filme seien langweilig bis banal, wäre dies eine Fehleinschätzung. Gstaad-Guy-reels sind, erstens, hochwertig hergestellt, man bekommt eine Menge schöner, schneller Bilder zu sehen. Zweitens ist ihre unterliegende Botschaft mehrheitlich lustig sowie zutreffend. Beispielsweise wenn er über Worthülsen schimpft, die in der Gesellschaft hin- und hergeschoben werden: «Wir müssen uns verabreden, um uns länger miteinander unterhalten zu können.» Nein, urteilt Gstaad Guy, muss man nicht und wird man nicht, man hat sich ja jetzt schon nichts zu sagen.
Seine Gefolgschaft auf Instagram ist verhältnismässig klein, unter einer halben Million Nutzer. Doch laut Forbes-Magazin folgt ihm die richtige halbe Million – darunter ein hoher Anteil jener, die Gstaad Guy in seinen Auftritten dar- und manchmal blossstellt. Und seine Kunden sind überzeugt, mit ihm den richtigen Werbeträger gefunden zu haben. «Gstaad Guy geht ernsthaft an Dinge heran, ohne sich selbst dabei zu ernst zu nehmen», gibt die Financial Times Olivia Crouan wieder, Markenverantwortliche von Audemars Piguet. Was solche Sponsoren-Rückmeldungen betrifft, fällt es schwer zu glauben, dass Gstaad Guys Filme tatsächlich förderlich sind für den Abverkauf oder die wohlmeinende Wahrnehmung der Marke. In meinen Augen hat es eher damit zu tun, dass Reklameleute unsicher sind, wie sie in den sozialen Medien vorgehen sollen – und deshalb Versuchsballons steigen lassen.
Der Gstaad Guy ist geschmack- und stilsicher, seine Dos and Don’ts treffen es mehrheitlich. Was aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass er den Lebensentwurf sowie die Lifestyle-Accessoires der Subjekte, über die er lacht und recht streng urteilt, begehrt. Dass er wohl ein wenig süchtig danach geworden ist. Hoffentlich hält sein Erfolg an, denn der Audemars-Piguet-Loro-Piana-und-andere-fantastic- Dinge-Entzug ist hart. Als gelegentlicher Berichterstatter über die Welt des Gstaad Guys und ihrer echten Bewohner weiss ich, wovon ich schreibe.