Meine Neider
Wer lernen möchte, wie man Geld verdient, sollte nicht Journalisten und Professoren vertrauen (ausser Ihrem Kolumnisten).
Vergangene Woche fiel auf, wie neidvoll viele Kollegen sind, wieder mal. Der Hintergrund dieser Erkenntnis war die Milliardeninvestition von Elon Musk in Bitcoin. Sie erinnern sich: Der Unternehmer kaufte für Tesla, den Elektroautohersteller, den er gegründet hatte, von der Kryptowährung im Gegenwert von zirka 1,5 Milliarden Dollar (worauf deren Bewertung weiter stieg).
Möglicherweise erinnern Sie sich auch daran, dass Ihr Kolumnist ebenfalls ein wenig in Krypto investiert ist, er kaufte im vergangenen Mai (und liegt damit zurzeit etwas über 400 Prozent im Plus). Mit anderen Worten: MvH hat Schwein gehabt.
Die meisten Journalisten und andere «Experten» sind nicht in Bitcoin et cetera – es gibt Tausende sogenannter Kryptowährungen – investiert. Viele davon sind in keine Anlagekategorie investiert, abgesehen von dem Teil ihres beruflichen Vorsorgekapitals, den die Pensionskassenmanager in Aktien, Obligationen oder Immobilien investiert haben.
Es tut weh, mitansehen zu müssen, wie andere Leute ihr Geld vermehren (besonders, wenn es sich dabei um Leute handelt, die man kennt oder mit denen man sich vergleicht); Elon Musk ist im Augenblick wenigstens der reichste Mann der Welt, ein Superunternehmer wahrscheinlich, Visionär möglicherweise plus Vater des Kinds eines Popstars – somit weit weg. Was ein wenig tröstlich ist (aber nur ein wenig).
Darum urteilen Journalisten – die zur Mehrheit gut ausgebildet sind, grosses Sendungsbewusstsein, auch Ego genannt, haben, aber eher schlecht verdienen, um 110 000 Franken im Jahr – streng. Im Tages-Anzeiger hätte Musk von «den vier Risiken» seines Bitcoin- Deals lesen können. In der Neuen Zürcher Zeitung, weshalb auch er «aus dem Bitcoin keine solide Währung machen kann». Besonders übellaunig war die Financial Times, das oft überraschend linke, Pardon: sozialliberale Wirtschaftsweltmedium sagte voraus, die Bitcoin-Wette werde wenig Nachahmer finden, und ein Professor der Duke University kommentierte in der FT, Musks move sei «unüblich, riskant und nicht zwingend zielführend»; was ich über Journalisten gesagt habe, gilt für Professoren ebenfalls.
MvH, nebenbei erwähnt, setzt sein Geld zur Hauptsache nicht auf Krypto, schon klar – von «Währung» zu schreiben, ist irreführend, übrigens, Bitcoin und andere Kryptos entsprechen von ihren Merkmalen her eher Rohstoffen respektive Edelmetallen –, sondern steckt es in Unternehmen und Immobilien. Selten vertraut er dagegen Journalisten/Professoren, da diese meist no skin in the game haben, nicht selbst investiert sind.
Wohin diese Eunuchen-Ausgangslage führt, ist am klarsten erkennbar, wenn’s um die Berichterstattung über Wohneigentum geht. Schätzungsweise dreimal jährlich stösst man in Schweizer Zeitungen auf die Behauptung: «Mieten ist besser als Kaufen» (jüngst im Tages- Anzeiger) respektive «Immobilien kaufen ist teurer als mieten» (kürzlich in der Sonntagszeitung). Bloss, jeder, der sich in den vergangenen zwanzig Jahren oder so Wohneigentum zulegen konnte, weiss, dass das falsch ist.
Es tut weh, mitansehen zu müssen, wie andere Leute ihr Geld vermehren.
Interessant ist, wie die Urheber ihre Aussage belegen: indem sie das Eigenkapital, das in eine Liegenschaft investiert werden muss, aussergewöhnlich hoch rentieren lassen. So rechnen die, die sonst Bedenken gegen «riskante» Anlagen in Aktien verbreiten, plötzlich mit einer Jahresperformance um 7 Prozent, die man holen würde – falls man in Firmenanteile investieren würde statt in die selbstbewohnte Wohnung/das eigene Haus.
Nehmen wir an, diese Rechnung würde jederzeit aufgehen. Dann hätten wir immer noch nicht den zu erwartenden Grundstückgewinn beim Verkauf der Immobilie berücksichtigt. Einfamilienhäuser- und Stockwerkeigentum-Preise kannten in vielen Gegenden der Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten nur eine Entwicklung – nach oben.
Der Grund: Journalisten bekommen oft die erforderlichen 20 Prozent Eigenkapital für eine Immobilie nicht zusammen (beziehungsweise das play money für ein Investment in Krypto). Also schreiben sie sich die Welt so zurecht, wie sie ihnen gefällt. Eine Welt, deren Bewohner von Neid getrieben sind, kann aber keine wunderbare sein.
Dieser Artikel erschien in der Weltwoche vom 25. Februar 2021